Die "Stickelmühle"

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Die Stickelmühle ist die älteste und zugleich die größte Mühle Rambachs. 1702 lebten 105 Einwohner in Rambach. In der Flur 3, Flurbezeichnung „Vor dem Stickelwald“ und „Auf der Stickelmühle“ lag sie zunächst zwischen Sonnenberg und Rambach am damaligen Rambacherweg. Sie wurde vom Wasser des Goldsteinbachs oder Goldbach angetrieben, der in den Rambach mündete.

Johann Adam Golling aus Kloppenheim beantragte 1703 die Bauerlaubnis für einen Platz im Wiesengrund südlich von Rambach, um dort zunächst eine Getreidemühle zu errichten. Ihm gingen aber wohl die Mittel aus, so dass sich der Mehlhändler Conrad Späth aus Idstein als Mühlenbesitzer bewarb. Ihm wurde die Erlaubnis übertragen, eine Mahlmühl am Stickelwald zu bauen (Urkunde vom 4. Januar 1709).

Schon nach 10 Jahren verkaufte Conrad Späth an Martin Bender. 1779 musste die Mühle zum wiederholten Male verkauft werden. Sie war einfach heruntergewirtschaftet. Mit den Nachfolgern soll es wieder besser geworden sein. Dann aber kam es zu einem Kosakenüberfall während des „glorreichen Krieges 1813-1815“ und die Mühle lag wieder darnieder. Längst war auch der Betrieb einer reinen Getreidemühle vorbei. Der Stickelmüller Johann Jakob Schlitt war auch Bäckermeister´. 1844 verkaufte er die Mühle weiter an Johann Philipp Walter. Unter ihm brannte am 9. Juli 1845 die Mühle fast nieder, wahrscheinlich durch einen Blitzschlag. 1846 ist sie fast wieder aufgebaut, aber Walter ist am Ende.

Michael Spangenberg, er ist der letzte Besitzer in der 1. Periode und dann der erste der 2. Periode. Das liegt daran, dass 1858 ein neues Gesetz zur Erfassung der Besitztümer und zur Flurvermessung erlassen wurde. Das Stockbuch wurde eingeführt. Michael Lassen Spangenberg unterhielt ab 9. Juni 1858 zusammen mit seiner Ehefrau Christiane Philippine geb. Marx die Mühle mit einem Mahlgang und einen weiteren Gang zum Schneiden und Mahlen von Farbholz. Dabei handelte es sich wohl um aus Indien eingeführtes weißes, gelbes und rotes Sandelholz sowie um aus Brasilien stammendes blaues Farbholz, um Farbpulver zu gewinnen. Er erwarb das Anwesen: Ein zweistöckiges Wohnhaus mit Mahlmühle, eine Scheune eine Holzremise, ein Backhaus, einen Hofraum, Garten- und Wiesenstücke. Spangenberg baute die Mühle in dem Baustil fertig aus - wie das Haupthaus heute noch steht -, verkaufte am 19. April 1860 an Johann Zacharias Christ. 1869 ging für die Stickelmühle ein Zeitalter zu Ende. Bis dahin war hauptsächlich der Mühlenbetrieb vorherrschend. Wie die gelegentlichen Grundstücks- und Viehverkäufen beweisen, gab es auch Landwirtschaft. Backhaus und ein Bäcker beweisen, dass eine Bäckerei vorhanden war. Im Dezember 1869 kaufte Friedrich Lossen mit Ehefrau Rosa geb. Pilz von der Michelbacherhütte in Michelbach Amt Wehen die Stickelmühle. Es begann das „Zweite Zeitalter“ der Stickelmühle.
Wasserkraft und Wasserrechte konnten ja auch anders genutzt werden, denn ab 30. Dezember 1869 wurde die Mühle nicht mehr als Mahlmühle genutzt. Jetzt wurde eine Dampfwäscherei betrieben, die erste in der Wiesbadener Straße, mit einer kurzen Lebensdauer wegen technischer Mängel und danach1884 eine Restauration. Fünf Jahre nach dem Tod von Friedrich Lossen wurde die Stickelmühle wieder verkauft mit folgendem Besitz:

Zweistöckiges Wohnhaus mit
Dampfwäscherei u. Restauration
Maschinenhaus
Wasserhaus
Scheuer, Hofraum, Gärten, Wiesen.

Am 22. Juli 1892 erwarben zu gleichen Teilen Friedrich Carl Hench, Kaufmann in Wiesbaden, Goldgasse 6 und Hermann Käsebier, Schreiner und Hersteller von Eisschränken Wiesbaden, Kirchgasse 43 die Stickelmühle mit etlichen Wiesenparzellen in Sonnenberger und Rambacher Flur, u.a.Stückelwiese und Krämerswiese. Auf der Stückelwiese wurden ein Wohnhaus, ein Pferdestall und ein Eishaus errichtet. Auf der Krämerswiese legten sie 1898 einen Eisweiher an, ebenso im Goldsteintal Fischteiche. Mancher von uns erinnert sich noch an die Fuhrwerke mit der Aufschrift Hench u. Käsebier.
Mit der Gastwirtschaft hatten die Beiden nichts zu tun. Sie verpachteten diese. Am 22. August 1900 erwarb der Wiesbadener Gastwirt Karl Bender das ganze Anwesen und verkaufte dies acht Monate später an den Gastwirt Josef Klein. Es begann die am längsten währende Stickelmühlenherrschaft eines einzelnen "Stickelmüllers" mit:
Wohnhaus,
Seitenbau,
Hofraum, Hausgarten & Scheune
Weiteres Wohnhaus, Wirtschaftsgebäude mit Seitenbau, Hofraum, Wirtschaftshalle in der Wiesbadener Straße 38, seit 1938 Ostpreussenstraße 2-4

Josef Klein modernisierte alles, schuf zwei Fremdenzimmer und einen Tanzsaal und Anlagen im Freien.
Am 12.August1942 kurz nach Mitternacht fiel eine schwere Luftmine in die Flurdistrikte rund um die Stickelmühle. Hier, wie im Betriebshof von H&K waren die Schäden groß. Zunächst beschlagnahmte das Militär das Anwesen. Die Kleins gaben auf. Teile des Anwesens wurden an die Stadt verpachtet. Erbin der Stickelmühle war Ottilie Klein, verheiratet mit Karl Frey. Deren Kinder, Hildegard und Horst waren durch Erbeinsetzung Eigentümer geworden. Durch die Heirat von Hildegard kam dann die Familie Werner Renson in die Stickelmühle.
Ein Photoatelier, Wohnungen, eine Mischfutterfabrik und ein Textilbetrieb waren angesiedelt.

Die heutige Ostpreußenstraße war früher die Wiesbadener Straße
Text: Helmut Heinrich Pfarrer i.R.