Chronik Emil Robert Anton

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Der aus dem Salzlandkreis im heutigen Sachsen-Anhalt stammende Bäckermeister Emil Robert Anton mietete in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts den ehemaligen Rambacher "Gemaa Bagges" um in diesen Räumen seine eigene Bäckerei/Konditorei zu betreiben. Er selbst hat sich nie als Gemeindebäcker bezeichnet, schließlich hatte er das Haus mit Backofen lediglich gepachtet und die für die Gemeindebäckerei üblichen Regelungen betrafen ihn nicht. Bis zu seinem frühen Tod am 5.Mai 1933 führte Emil Robert Anton sein Geschäft mit Lehrling und Geselle. Die Zeiten der Rambacher Gemeindebäcker waren also endgültig vorbei.

Emil Robert Anton, am 22.8.1893 in Staßfurt Kreis Calbe geboren, verlies recht jung sein nahe Magdeburg gelegenes Heimatdorf. Auf der Suche nach Arbeit zieht es ihn in die weite Welt. Die aufstrebenden Kurstadt Wiesbaden bietet Arbeit und mit der am 30.Mai 1895 in Wiesbaden geborenen Amalie Krackenberger findet er hier sein Glück. Die beiden heiraten 1917. Er ist 24, sie 22 Jahre alt. Vorerst wohnen sie noch zur Miete in der Frankenstraße 8. Zwei Jahre später - am 6.9.1919 stellt sich mit Tochter Martha Katharina Ida der erste Nachwuchs ein. Die zweite Tochter Edith kommt dann am 13. Mai 1922 zur Welt.

In diesen Jahren erfährt Emil Robert Anton dass eine Bäckerei in Rambach zu verpachten ist. Emil Robert Anton fährt nach Rambach, schaut sich das Objekt an. Es gefiel ihm, gerne hätte er das Haus direkt gekauft, doch die Gemeinde Rambach wollte nicht. Die Rambacher hatten sich nach den Misserfolgen der Vergangenheit entschieden, die Gemeindebäckerei nicht zu verkaufen, sondern die Räume einem geeigneten Fachmann zu überlassen, der dort eine freie Bäckerei auf eigene Rechnung betreiben sollte. Es erfolgt sogar ein zeitgemäßer Umbau für den neuen Mieter. Schweren Herzens nimmt Emil Robert Anton nunmehr das Pachtangebot an, zieht mit Familie in den ersten Wochen des Jahres 1927 nach Rambach.

Am 1.April 1927 eröffnete das Ehepaar stolz die "Bäckerei und Conditorei Emil Robert Anton". Ihr erster Kunde blieb beiden im Gedächtnis, sodass sie Kindern und Enkeln noch davon erzählten. Es war der damals erst 4-jährige Ernst Kruszynski. Der kleine Ernst kam also an diesem Freitagmorgen in den Laden, legte eine Mark auf die Theke und verlangte "fiennfunnswannsisch Wegg". Frau Anton, eher das mit Französisch vermengte Hochdeutsch der Kurstadt gewohnt, wusste absolut nicht, was der Bub wollte. Kurz entschlossen lief sie zu ihrem Mann in die Backstube, um sich mit ihm zu beratschlagen. Emil grübelte, dann rechnete er und entschied anhand der Menge und des Gesamtbetrages dann:" Ich nehme an, der Bub will Brötchen". Kosteten diese doch damals 4 Pfennig das Stück!

Am 1.April 1930 beginnt, der aus der Platterstraße in Rambach stammende, Ernst Martin eine Bäckerlehre bei ihm. Ernst Martin - im Monat zuvor gerade erst 14 Jahre alt geworden - hatte acht Jahre die Rambacher Volksschule besucht und durchschnittlich bis gute Noten mit nachhause gebracht. Nun - in der dreijährigen Bäckerlehre bei Emil Robert Anton - fühlte er sich sichtlich wohl. Emil Robert Anton war ihm sicherlich ein guter Lehrmeister. So schloss Ernst Martin nicht nur im April 1933 die Gesellenprüfung praktisch wie theoretisch mit "Gut" ab, sondern erhielt auch eine Lehrlingsauszeichnung von der Bäcker-Innung Wiesbaden-Land überreicht. Im hierfür ausgestellten, farbig illustrierten Gedenkblatt ist vermerkt "in Anerkennung seiner guten Leistungen und vorzüglicher Führung". Auch Meister Emil Robert Anton ist mit ihm sehr zufrieden. Im Zeugnis schreibt er deshalb: "war ehrlich, brav und fleißig und ist mir ein tüchtiger Mitarbeiter, weshalb ich ihn auch weiterbeschäftigen werde". Viel Zeit ist Emil Robert Anton nicht mehr vergönnt. Im Mai verstirbt er am heimtückischen "Bäckerasthma". Seine Ehefrau wird ihn um unglaubliche 53 Jahre überleben. Die vermutlich recht resolute Witwe Amalie entschließt sich denn auch den Betrieb zusammen mit einem Meistergesellen und Ernst Martin als Jung-Geselle weiterzuführen. Die Bäckerei firmiert jetzt: "Bäckerei Emil Robert Anton Wwe", Wiesbaden-Rambach, Gartenstraße 7. Grundlage hierfür ist das in der Handwerkskammer begründete Witwenrecht. Dies ermöglicht es der Witwe den Betrieb - dessen Konzessionsträger der verstorbene Mann war - mit einem Gesellen weiterzuführen.

Emil Robert Anton hatte seinerzeit das Backwarenangebot in Rambach erheblich erweitert. Die bisherigen Bäcker hatten kaum mehr als 2 Brotsorten und Wecken im Angebot. Konditor Emil Robert Anton bot jetzt plötzlich sogar Torten und Eis an. Enkelin Dagmar berichtet: "Im Boden der Backstube befand sich ein Loch, durch das ein Gestänge in den darunterliegenden Keller führte. So konnte Opa Emil oben drehen, und unten im Keller wurde das Eis gerührt". Und noch etwas war neu: genau wie es beim Metzger für die kleinen Kunden immer einen Zipfel Wurst gab, buk Emil Robert Anton von seinen angebotenen Stückchen extra eine kleinere Version, die er an die Kinder verschenkte.

Im Laufe der Jahre reifte bei den Rambacher bzw. der Stadt Wiesbaden - die aufgrund der Eingemeindung 1928 nun Eigentümer des Backhauses war - der Entschluss das Gebäude zu verkaufen. 1934 stand es nun doch zum Verkauf. Enkelin Dagmar Kiontke erzählt "Oma (= Amalie Anton geb. Krackenberger) besorgte sich das Geld, und das Haus bekam eine neue Eigentümerin" Dennoch war es für die Witwe schwierig die Bäckerei fortzuführen. Ernst Martin bildet sich zwar noch im Sommer 1935 auf einer Konditoren Schule weiter, wird aber dann im April 1936 erst zum Reichsarbeitsdienst, später zur Wehrmacht eingezogen. Er wird nach dem Krieg noch einmal nach Rambach zurückkehren, um dann bei Theodor Gilles zu arbeiten, denn die Bäckerei Anton bzw. Schweiger hatte da leider noch keine Konzession erhalten. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt: Ernst heiratet eine Rambacherin, absolviert in Wiesbaden die Meisterprüfung und übernimmt in Idstein eine dortige Bäckerei.

Währenddessen ging in der Bäckerei Anton das Leben weiter. Mit Kriegsbeginn 1939 musste auch der - bislang noch unbekannte - Meister-Geselle zum Militär. Ohne fachkundigen Mitarbeiter konnte Frau Anton die Bäckerei nun nicht mehr weiterführen. Damit lag der Betrieb brach

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